Es waren einmal drei Schwestern und davon lebten zwei zusammen in einem Häuschen und die Jüngste wohnte in einem andern Häuschen, denn die zwei Eltern sprachen immer, sie wäre zu dumm, um tot zu tun. Eines Abends nun geschah es, dass ein kleines altes Männchen kam und an dem Hause anklopfte, wo die zwei Schwestern wohnten. Da legte sich die Älteste ins Fenster und fragte: „Was wollt ihr?“ — „Ich hätte gern ein Unterkommen für die Nacht, weil es so kalt ist, dass ich nicht draußen schlafen kann“, antwortete das Männchen. „Wir haben keinen Platz im Haus“, sprach da die Älteste, „und ließ ich euch herein, dann brummte mir meine Schwester acht Tage lang und das geht nicht, darum sucht euch anderswo ein Unterkommen“; und mit den Worten schlug sie das Fenster zu und hörte das alte Männchen nicht mehr an, wie sehr dasselbe auch bat und flehte. Als nun alles nichts half, da ging das alte Männchen zu dem Häuschen, wo die Jüngste wohnte, und klopfte da an. Da öffnete die Jüngste das Fenster und fragte: „Was hättet ihr gerne, lieber Freund?“ „Ich hätte gern ein Unterkommen für die Nacht, weil es draußen so sehr friert“, sprach das Männchen und alsbald sprang die Jüngste an die Tür und machte ihm auf und führte es in ein warmes Kämmerlein. Sie kochte ihm Brei von Milch und Mehl und brockte das letzte Krümlein Brotes hinein, welches sie in ihrem Schrank fand.
Dann ging sie hin und nahm ihr Stroh und schüttelte es recht auf, damit das Männchen weich darauf liege; sie selbst schlief aber auf der Erde. Am andern Morgen war das Männchen schon früh auf und sprach, es müsse nun weiter ziehen. Das litt das gute Mädchen aber nicht und sie kochte zuvor noch einen Brei zum Frühstück. Als das Männchen den gegessen hatte, bedankte es sich freundlich und sprach:
„Es tut mir leid, dass ich euch eure Liebe und Freundlichkeit nicht vergüten kann.“ — „O, was macht das“, sprach das Mädchen, „ich habe an keine Bezahlung gedacht und wenn ihr nicht wisst, wo aus, wo ein, dann kommet nur noch mehr zu mir und macht euch darum keinen Kummer.“— „Ich danke euch vielmals von ganzem Herzen“, entgegnete das Männchen, „und ich bitte Gott den Herrn, dass er euch immerdar seinen Segen schenke und dass das Erste, was ihr heute beginnen werdet, so wohl gelinge und euch also zu Nutze sei, dass ihr den ganzen Tag nichts anderes tun könnt.“ Mit den Worten verbeugte es sich und ging weg und das gute Mädchen sprang ins Haus zurück, um sich an die Arbeit zu begeben; auf den Wunsch des kleinen alten Männchens hatte es gar nicht gehorcht.
Es holte schnell ein Stückchen Linnen vom Speicher, wo dasselbe getrocknet hatte, und wollte es falten, und es faltete und faltete immer fort bis zum Mittag und den ganzen Nachmittag und das Linnen nahm gar kein Ende und die ganze Stube wurde davon voll; es hörte auch nicht eher auf, bis es stichdunkel war, da kam das Ende erst. Die zwei ältern Schwestern waren aber sehr verwundert, dass sie die Jüngste den ganzen Tag nicht sahen, und gingen darum am Abende zu ihr hin. Da machten sie aber Augen und das war ein Verwundern! „Herr Gott im Himmel“, schrie die Älteste, „wo hast du das Linnen her? In meinem ganzen langen Leben hab ich nicht so viel zusammen gesehen.“ Da erzählte die Jüngste, sie hätte es von dem kleinen alten Männchen und die beiden andern wurden so giftig darüber, dass sie spien, wie Schlangen. „Muss dem Dummohr da ein solch Glück zu Teil werden und — ich könnt mich an ihr vergreifen, der Gans“, schrie die Zweite in ihrem Ärger; aber die Älteste sprach: „Ereifere dich nicht, Schwester, und komm, dann wollen wir sehen, ob wir das Männchen noch einholen.“
Da stürmten beide zur Tür heraus, um das Männchen zu suchen, aber sie waren kaum einige Schritte weit gegangen, als sie es schon von ferne heranschleichen sahen. Husch, husch waren sie bei dem Männchen und knieten und neigten sich und die Zweite sprach: „Ach, lieber Herr, ihr wollet es meiner Schwester doch nicht übel nehmen, dass sie euch gestern nicht in unser Haus gelassen und beherbergt hat; ich habe vor lauter Leidwesen darüber die ganze Nacht kein Auge zugetan. Ach, wollt ihr mir doch den einzigen Gefallen tun und diesen Abend bei uns einkehren, ihr macht uns alle beide zu den glücklichsten Menschen auf der Welt.“ Das kleine alte Mannchen war darüber zufrieden und ging mit den beiden Schwestern, welche ihm auf das Köstlichste auftischten und am Ende ihn in ein ganz weiches Bett trugen, worin er schlief wie ein Prinz. Kaum hatte er sich am andern Morgen aus den Federn gemacht, als die Schwestern ihm schon Kaffee mit Biskuit brachten. Er dankte für Alles recht höflich und fein. Als er sein Frühstück verzehrt hatte, da sprach er: „Es tut mir sehr leid, dass ich eure Freundlichkeit nicht vergüten kann, aber…“ — „Oho“, fiel da die Älteste ein, „meint ihr denn, wir wollten etwas haben für die Bewirtung? Gott bewahre, daran haben wir nicht im Mindesten gedacht, im Gegenteil, wir wünschten nur, dass ihr uns recht oft die Freude machtet, bei uns einzukehren.“ „Das wird schwerlich möglich sein“, sprach das Männchen, „aber ich danke euch doch herzlich für euern guten Willen und wünsche nur, dass das Erste, was ihr diesen Morgen tut, den ganzen Tag sich fortsetze und ihr nichts andres tun könnt.“ Damit empfahl das Männchen sich und die beiden Schwestern wünschten ihm eine glückliche Reise.
Kaum hatte das Männchen die Türe gefasst, als die Älteste der Magd zurief: „Geschwind, Mieken, geschwind, hole die Wäsche vom Boden, damit wir nur gleich anfangen können zu falten; wir müssen doppelt so viel haben, als das Dummohr hier neben.“ Die Magd sprang schnell auf den Boden, um die Wäsche zusammenzusuchen; in der Zwischenzeit sprach die Zweite: „Aber, Schwester, wir wollen uns doch erst ein Bisschen stärken, da steht noch ein Krug frischen Bieres, das wollen wir zu einem Butterbrote genießen; mache nur alles bereit, ich gehe inzwischen in den Garten, um zuvor schnell mein Wasser noch zu lassen.“ —„Gut, tue das, Schwester“, sprach die Älteste, „aber eil dich“; und damit fasste sie den Krug und setzte den vor den Mund. Die Magd hatte aber die Wäsche schon lange zusammengesucht und in die Stube gebracht und sie wartete nur auf die Schwestern, aber die kamen nicht und kamen nicht. Da ging sie in die Küche, um einmal zuzuschauen, was sie machten; doch was kriegte das Mädchen nicht für einen grausamen Schrecken! Denn, denke doch nur, da stand die Älteste und trank und trank und konnte nicht aufhören zu trinken und die andere schrie aus dem Garten, sie könne nicht aufhören, ihr Wasser zu lassen, und das dauerte fort, bis es ganz stichdunkel war, da stand Hof und Haus in Wasser und sie mussten alle die ganze Nacht arbeiten, um nur ein trocknes Plätzchen zu gewinnen, wo sie ihre Füße hinsetzen konnten. Die Jüngste verkaufte aber das Leinen und wurde reich und glücklich für ihr ganzes Leben lang.
Deutsche Märchen und Sagen von Johannes Wilhelm Wolf.