Ein stiller Schauer deiner Allgegenwart
Erschüttert, Gott! mich. Sanfter erbebt mein Herz,
Und mein Gebein. Ich fühl’, ich fühl’ es,
Dass du auch hier, wo ich weine, Gott! bist.
Von deinem Antlitz wandelt, Unendlicher,
Dein Blick, der Seher, durch mein eröffnet Herz.
Sei vor ihm heilig, Herz, sei heilig,
Seele, vom ewigen Hauch entsprungen!
Verirrt mich Täuschung? oder ist wirklich wahr,
Was ein Gedanke leise dem andern sagt?
Empfindung, bist du wahr, als dürf’ ich
Frey mit dem Schöpfer der Seele reden?
Gedanken Gottes, welche der Ewige,
Der Weis’ jetzt denket! wenn ihr den menschlichen
Gedanken zürnet: o wo sollen
Sie vor euch, Gottes Gedanken! hinfliehn?
Flöhn sie zum Abgrund; siehe, so seid ihr da!
Und wenn sie bebend in das Unendliche
Hineilten; auch im Unbegrenzten,
Wärt ihr, allwissende! sie zu schauen!
Und wenn sie Flügel nähmen der Seraphim
Und aufwärts flögen, in die Versammlungen,
Hoch ins Getön, ins Halleluja,
In die Gesänge der Harfenspieler;
Auch da vernähmt ihr, göttliche Hörer! sie.
Flieht denn nicht länger, seid ihr auch menschlicher,
Flieht nicht; der ewig ist, der weiß es,
Dass er in engen Bezirk euch einschloss.
Des frohen Zutrauns! ach der Beruhigung,
Dass meine Seele, Gott! mit dir reden darf!
Dass sich mein Mund vor dir darf öffnen,
Töne des Menschen herabzustammeln!
Ich wag’s, und rede! Aber du weißt es ja,
Schon lange weißt du, was mein Gebein verzehrt,
Was, in mein Herz tief hingegossen,
Meinen Gedanken ein ewig Bild ist!
Nicht heut erst sahst du meine mir lange Zeit,
Die Augenblicke, weinend vorübergehn!
Du bist es, der du warst; Jehova
Heißest du! aber ich Staub von Staube!
Staub, und auch ewig! denn die Unsterbliche,
Die du mir, Gott! gabst, gabst du zur Ewigkeit!
Ihr hauchtest du, dein Bild zu schaffen,
Hohe Begierden nach Ruh und Glück ein!
Ein drängend Heer! Doch Eine ward herrlicher
Vor allen andern! Eine ward Königin
Der andern alle, deines Bildes
Letzter und göttlichster Zug, die Liebe!
Die fühlst du selber, doch als der Ewige;
Es fühlen jauchzend, welche du himmlisch schufst,
Die hohen Engel deines Bildes
Letzten und göttlichsten Zug, die Liebe!
Die grubst du Adam tief in sein Herz hinein!
Nach seinem Denken von der Vollkommenheit,
Ganz ausgeschaffen, ihm geschaffen,
Brachtest du, Gott! ihm der Menschen Mutter!
Die grubst du mir auch tief in mein Herz hinein!
Nach meinem Denken von der Vollkommenheit,
Ganz ausgeschaffen, mir geschaffen,
Führst du sie weg, die mein ganzes Herz liebt!
Der meine Seele ganz sich entgegen gießt!
Mit allen Tränen, welche sie weinen kann,
Die volle Seele ganz zuströmet!
Führst du sie mir, die ich liebe, Gott, weg!
Weg, durch dein Schicksal, welches, unsichtbar sich
Dem Auge fortwebt, immer ins Dunklere webt!
Fern weg den ausgestreckten Armen!
Aber nicht weg aus dem bangen Herzen!
Und dennoch weißt du, welch ein Gedank’ es war,
Als du ihn dachtest, und zu der Wirklichkeit
Erschaffend riefst, der, dass du Seelen
Fühlender, und für einander schufest!
Das weißt du, Schöpfer! Aber dein Schicksal trent
Die Seelen, die du so für einander schufst,
Dein hohes, unerforschtes Schicksal,
Dunkel für uns, doch anbetungswürdig!
Das Leben gleichet, gegen die Ewigkeit,
Dem schnellen Hauche, welcher dem Sterbenden
Entfließt; mit ihm entfloss die Seele,
Die der Unendlichkeit ewig nachströmt!
Einst löst des Schicksals Vater in Klarheit auf,
Was Labyrinth war; Schicksal ist dann nicht mehr!
Ach dann, bei trunknem Wiedersehen,
Gibst du die Seelen einander wieder!
Gedanke, wert der Seel’ und der Ewigkeit!
Wert, auch den bängsten Schmerz zu besänftigen!
Dich denkt mein Geist in deiner Größe;
Aber ich fühle zu sehr das Leben,
Das hier ich lebe! Gleich der Unsterblichkeit,
Dehnt, was ein Hauch war, fürchterlich mir sich aus!
Ich seh’, ich sehe meine Schmerzen,
Grenzenlos dunkel, vor mir verbreitet
Lass, Gott, dies Leben, leicht wie den Hauch entfliehn!
Nein, das nicht! gieb mir, die du mir gleich erschufst!
Ach, gieb sie mir, dir leicht zu geben!
Gieb sie dem bebenden, bangen Herzen!
Dem süßen Schauer, der ihr entgegen wallt!
Dem stillen Stammeln der, die unsterblich ist,
Und sprachlos ihr Gefühl zu sagen,
Nur, wenn sie weinet, nicht ganz verstummet.
Gieb sie den Armen, die ich voll Unschuld oft,
In meiner Kindheit, dir zu dem Himmel hub,
Wenn ich, mit heißer Stirn voll Andacht,
Dir um die ewige Ruhe flehte.
Mit Einem Winke gibst du, und nimmst du ja
Dem Wurm, dem Stunden sind wie Jahrhunderte,
Sein kurzes Glück; dem Wurm, der Mensch heißt,
Jähriget, blühet, verblüht, und abfällt.
Von ihr geliebet, will ich die Tugend schön
Und selig nennen! will ich ihr himmlisch Bild.
Mit unverwandten Augen anschaun,
Ruhe nur das, und nur Glück das nennen,
Was sie mir zuwinkt! Aber o frömmere,
Dich auch, o die du ferner und höher wohnst,
Als unsre Tugend, will ich reiner,
Unbekannt, Gott nur bemerket, ehren!
Von ihr geliebet, will ich dir feuriger
Entgegenjauchzen! will ich mein voller Herz,
In heißern Hallelujaliedern,
Ewiger Vater, vor dir ergießen!
Dann, wenn sie mit mir deinen erhabnen Ruhm
Gen Himmel weinet, betend, mit schwimmendem
Entzücktem Auge; will ich mit ihr
Hier schon das höhere Leben fühlen!
Das Lied vom Mittler, trunken in ihrem Arm
Von reiner Wolllust sing’ ich erhabner dann
Den Guten, welche gleich uns lieben,
Christen wie wir sind, wie wir empfinden.